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Predigt am Sonntag Septuagesimae – 12.02.2017
Gottes Gnade und Friede sei mit euch allen! Amen.

Der Predigttext steht in Lk 17:

"Stellt euch vor: Einer von euch hat einen Knecht, der den Acker pflügt oder das Vieh hütet. Der kommt vom Feld zurück. Wer von euch wird zu ihm sagen: 'Komm gleich her und leg dich zu Tisch'? Im Gegenteil! Derjenige wird zu ihm sagen: 'Mach mir etwas zu essen! Binde dir eine Schürze um und bediene mich, solange ich esse und trinke. Nachher kannst auch du essen und trinken.' Bedankt derjenige sich etwa bei seinem Knecht, weil er seinen Auftrag erledigt hat? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, womit euch Gott beauftragt hat, dann sagt: 'Wir sind Knechte, weiter nichts. Wir haben nur unsere Pflicht getan.'" (Lukas 17,7-10 - basisbibel.de)

„Der liebe Gott belohnt die Guten und bestraft die Bösen.“ So haben wir es mit der geistlichen Muttermilch in uns aufgesogen. So ist das. Auch wenn es nicht jede und jeder so plakativ beziehungsweise platt formuliert: Irgendwie gehen ziemlich viele Menschen, vielleicht unbewusst, von diesem Bild von Gott aus.

Nun, dass der „liebe Gott“ die Bösen nicht immer straft, sondern dass die ziemlich oft ungeschoren davon kommen, das haben wir inzwischen begriffen. Da behilft man sich dann mit dem Jenseits, in dem die große Abrechnung für alle Sünden erfolgt.

Aber das andere, dass Gott die Guten belohnt – das haben wir so stark verinnerlicht, dass es unseren Glauben, wie fromm, traditionell oder auch modern der im einzelnen sein mag, prägt. Wir glauben, wir tun Gutes, wir leben nach den Geboten, wir beten, wir gehen zur Kirche – warum? Weil wir uns davon etwas versprechen.

Ein bisschen wie bei dem Knecht in dem Gleichnis: Wir hoffen, dass, wenn wir dann am Ende unseres Weges beim Herrn ankommen, wir mit offenen Armen empfangen werden und dann gemütlich an seinem Tisch Platz nehmen dürfen, dass er uns so belohnt, sich bei uns bedankt für unseren Dienst, uns auch entschädigt für so manche Unannehmlichkeit, die wir auf unserem Lebensweg in Kauf nehmen mussten.

Ist der Himmel die Belohnung für die Frommen, und ist die Hölle die Strafe für die Ungläubigen?

Jesus macht mit diesem Gleichnis von den so genannten „unnützen Knechten“ deutlich, dass es in unserer Beziehung zu Gott überhaupt nicht um Lohn und Verdienst geht. „Wir sind Knechte, weiter nichts. Wir haben nur unsere Pflicht getan.“ So sagen die Knechte im Gleichnis zu ihrem Herrn. Das heißt: Das Gute, das wir tun, ist kein Verdienst vor Gott, sondern es ist einfach nur das Normale, unsere Pflicht sozusagen. Wir brauchen kein Lob oder Dank für das zu erwarten, was einfach das Normale ist.

Wenn wir das tun, was Gott von uns erwartet, dann tun wir einfach das, was unserem Wesen entspricht. Der Glaube macht uns nicht zu besseren Menschen, zu moralischeren Menschen – er macht uns einfach zu Menschen. Ja, Jesus war überzeugt: Wenn man in einer lebendigen Beziehung mit Gott lebt, dann ist man einfach Mensch.

Es ist nichts besonders Verdienstvolles, an Gott zu glauben. Es ist für Jesus einfach das, was natürlicherweise zu uns Menschen gehört. Glaube ist nicht der religiöse Überbau über unseren profanen Alltag; Glaube ist kein Hobby von ein paar frommen Spinnern, das man ausüben kann auch nicht; Glaube, wie Jesus ihn versteht, ist nicht die religiöse Zierleiste des Lebens, sondern vielmehr die Basis, das Fundament des menschlichen Lebens; echter Glaube trägt und prägt jeden Bereich unseres Lebens, er ist nicht nur Beiwerk. Glaube ist Vertrauen zu Gott, ist Liebe zu Gott, zur Quelle. Glauben ist so natürlich wie atmen und essen und trinken. Glauben ist ganz normal, nichts Verdienstvolles.

Lassen Sie mich das in ein paar Thesen erläutern:

1. These: Was Gott von mir erwartet, ist das Normale.

Ich muss mir als Christ nichts drauf einbilden, dass ich moralisch oder religiös besser sei als die anderen. Ich lebe doch einfach nur das, was meinem menschlichen Wesen entspricht.

Ein Pferd oder ein Esel kann sich auch nichts drauf einbilden, wenn es das tut, was einem Pferd oder einem Esel entspricht. Für die Tiere ist das übrigens normal, dass sie so leben, wie es ihrem Wesen entspricht.

Das Besondere bei uns Menschen ist nur: Im Gegensatz zu den Tieren können wir auch unsere Bestimmung verfehlen, das heißt wir können so leben, dass es unserem Wesen nicht entspricht. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir leben sollen und leben wollen. Wir müssen Entscheidungen treffen.

Wenn wir uns für den Weg und Willen Gottes entscheiden als Christen, ist das nichts, worauf wir uns etwas einbilden könnten und wir erwarten dafür von Gott auch keinen Lohn. Wir tun es einfach, weil es richtig ist; weil es das ist, wie der Schöpfer sich unser Leben gedacht hat.

2. These: Was Gott von mir erwartet, überfordert mich nicht.

Wenn ich in einer religiösen Gemeinde oder Gemeinschaft das Gefühl habe, da werden mir Regeln und Gesetze auferlegt, die mich total überfordern, dann sollte mich das warnen. Gerade in Sekten und extremen christlichen Gemeinschaften wird die Latte an Forderungen oft so hoch gelegt, dass Menschen unter Druck geraten.

Wenn ich selbst öfter das Gefühl habe, Gottes Erwartungen an mich nicht gerecht zu werden, sollte mich das auch kritisch gegenüber meinen eigenen Maßstäben werden lassen. Vielleicht lege ich die zu hoch an; vielleicht ist Gott barmherziger mit mir, als ich selbst es bin.

Es ist hilfreich, dass ich mir wieder bewusst mache, wovon ich lebe: Es ist die Gnade und Vergebung Gottes, von der ich lebe, seine bedingungslose Annahme, nicht mein Verdienst, nicht meine fromme Leistung. Gott überfordert mich nicht. Er will einfach nur, dass ich Mensch bin, von Gott geschaffen und geliebt, meiner Berufung folgend.

3. These: Was Gott von mir erwartet, ist das Beste für mich.

Manche haben das Gefühl: wenn ich mich nach Gottes Geboten richte, dann bedeutet das in erster Linie „Verzicht“, Askese. So als würde Gott das alles verbieten, was den Menschen Spaß macht: Alkohol und Sex sowieso, aber auch sonst müssten Christen möglichst spießig und ernst daher kommen.

Wer diese Meinung hat, hat Gott noch nicht kennen gelernt. Gott ist ein Freund der Menschen. Jesus liebt uns so sehr, dass er sich selbst für uns hingegeben hat, sein eigenes Leben für uns. Der meint es wirklich gut mit uns! Der will uns nicht unterdrücken und klein halten!

Ich erinnere uns daran, dass Jesus als sein erstes Wunder in der Öffentlichkeit mehrere hundert Liter Wasser in Wein verwandelte, für eine schon angeheiterte Hochzeitsgesellschaft. Der war nicht spießig.

Und so entdecke ich, dass die Gebote Gottes mir nicht den Spaß nehmen, sondern mein Leben schützen und meine Freiheit bewahren können. Und ich merke: Was Gott für mich will, das ist das Beste für mich. Ich lebe ausgeglichener, glücklicher, freier, zufriedener, wenn ich seinen Geboten folge.

Wenn Sie das bisher anders erlebt haben und Christen vor allem als Spießer und Spaßverderber kennen, dann lassen Sie sich nicht von diesen negativen Beispielen abschrecken. Gott ist schwer in Ordung – aber sein Bodenpersonal lässt viele Wünsche offen.

Letzter Punkt:

4. These: Was Gott von mir erwartet, ist meine Bestimmung.

Von Zeit zu Zeit im Leben stellt sich die Frage: Wo will ich hin? Was ist mein Ziel? Wozu lebe ich? Wie kann ich mit der Situation jetzt fertig werden? Während sich unzählige Menschen in unserer so genannten Postmoderne beinahe jeden Tag selbst neu erfinden müssen, ihre eigenen Pläne und Ziele verfolgen, und dann auch erleben müssen wie diese Pläne an der Realität zerbrechen, während dessen dürfen Sie als Christin, als Christ ganz entspannt davon ausgehen, dass Gott einen Plan und eine Richtung für Ihr Leben hat. Er hat eine Bestimmung für Sie.

Ich stelle mir das so vor, dass auf den Wegen, die ich gehen soll, Fußstapfen sind; dass es gebahnte Wege sind. So verstehe ich „Nachfolge“: Auf meinem Lebensweg darf ich in den Fußstapfen Jesu gehen. Ich muss mich nicht durch unwegsames Gelände einsam und allein durchschlagen, sondern ich darf wissen: Das ist ein gangbarer Weg, das trägt. Da ist ER durchgegangen, da komm ich auch durch.

Zum Schluss: „Wir sind Knechte, weiter nichts.“ Manche stoßen sich an diesem Gedanken von Jesus: sind wir denn wirklich „Sklaven Gottes“, Leibeigene, die wie Sachen behandelt werden dürfen von ihrem „Besitzer“?

Ich denke, das ist nicht das was Jesus sagen wollte. Jedes Gleichnis, das er erzählt hat, hat in der Regel genau einen Punkt, den es erläutern will, einen Kerngedanken, um den es geht. Wenn man darüber hinaus versucht jeden einzelnen Zug eines Gleichnisses auszulegen, dann geht man an dem, was Jesus sagen wollte, vorbei, denn er wollte nur genau diesen einen Punkt erklären – in unserem Fall ist dieser eine Punkt, dass wir uns vor Gott nichts verdienen können; denn was er von uns will, ist das normale, ist unsere Bestimmung, ist unser Wesen.

Das muss man immer beachten, wenn die Gläubigen in der Bibel als Sklaven, als Knechte bezeichnet werden. Ins rechte Licht kommt das Ganze dadurch, dass Jesus selbst, unser Herr, seinen Jüngern wie ein Sklave gedient hat, zum Beispiel als er ihnen die Füße gewaschen hat – vielleicht kennen Sie die Geschichte. Das heißt: Unser Herr ist alles andere als ein Sklaventreiber. Er dient uns; das ist übrigens auch die einzig richtige Bedeutung von Gottesdienst: Gott dient uns. Nicht: wir dienen Gott. Da gibt es nichts zu verdienen und abzudienen, da gibt es nur das zu tun, was ganz natürlich ist, was unserem Wesen entspricht. Damit wir Menschen sind, wie Gott sie sich gedacht hat. Das lasst uns versuchen in dieser neuen Woche zu leben: Menschen sein, beschenkte Menschen, wie Gott sie sich gedacht hat.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

© Pfarrer Henner Eurich, Heidelbach