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Predigt am Sonntag Judika – 02.04.2017

Gottes Gnade und Frieden sei mit uns allen! Amen.

Der Predigttext aus dem Markusevangelium: Und die Apostel kamen bei Jesus zusammen und verkündeten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten. Und er sprach zu ihnen: Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig. Denn es waren viele, die kamen und gingen, und sie hatten nicht Zeit genug zum Essen. Und sie fuhren in einem Boot an eine einsame Stätte für sich allein. (Markus 6,30-32 - LÜ)

Sie hat mich wieder voll im Griff: die Frühjahrsmüdigkeit. Mittags nach dem Essen ist es am schlimmsten. Dann wieder so gegen 17.00 Uhr. Und schließlich abends – Fernseher an, und schon bin ich eingeschlafen.

Böse Zungen behaupten, Leute wie ich fielen direkt vom Winterschlaf in die Frühjahrsmüdigkeit. Aber selbst Frühaufsteher bleiben nicht vor dem großen Gähnen am Beginn eines neuen Jahres bewahrt.

Wissen Sie eigentlich, warum die Menschen im Frühjahr so müde sind? Der Zusammenhang ist folgender: Die Sonneneinstrahlung wird im Frühjahr länger und intensiver; das regt in unserem Körper eine umfassende Zellerneuerung an; diese wiederum fordert so viel Energie und Sauerstoff, dass der Mensch schneller ermüdet. Logisch so weit.

Und irgendwie auch faszinierend: Dass der Neigungswinkel zwischen der Strecke Erde-Sonne und der Erdachse Einfluss auf unsere Körperzellen hat; denn dieser Winkel macht den Unterschied zwischen den Jahreszeiten aus. Faszinierend, wie das ganz Große mit dem ganz Kleinen zusammen hängt, wie alles unlösbar miteinander verwoben ist, die Sonne und meine Körperzellen, wie ich eingewoben bin in den Kosmos. Bei jedem Gähnen dürfen Sie sich das vergegenwärtigen: Sie sind Teil dieses großen Ganzen, in dem vom Schöpfer eines mit dem anderen ganz eng verwoben ist!

Seien Sie froh, wenn Sie gähnen oder gar einschlafen; denn es ist ein gutes Zeichen: ein Zeichen der Regeneration Ihres Körpers, der Erneuerung, des Neubeginns! Unser Körper braucht Regeneration, Erneuerung – und dazu Ruhe und Schlaf.

Nicht anders ist es mit unserer Seele, mit unserem inneren Menschen. Der ist auch manchmal müde und schlapp und kann nicht mehr. Er braucht auch die Phasen der Ruhe und Entspannung, damit er sich regenerieren kann. Heute zum Beispiel, im Gottesdienst, da können Sie das finden. Eine dreiviertel Stunde lang hören, nachdenken, beten. Und selbst wenn Sie in der Bank einmal einnicken: ich gönne Ihnen die Ruhe. Denn die brauchen wir, Sie und ich. Schöpferische Pausen – wo anders kann ich die finden, als vor dem Schöpfer, vor Gott selbst?

Jesus hat bei seinen Jüngern stets darauf geachtet, dass sie die richtige Balance zwischen Arbeit und Ruhe, zwischen Aktion und Regeneration gefunden haben. Die Zwölf waren losgezogen in seinem Auftrag, immer zu zweit. Sie hatten gepredigt und Kranke behandelt. Sie waren erfüllt von dem Segen, den sie bei dieser Arbeit für die gute Botschaft Gottes erlebt haben. Aber sie waren auch erschöpft, müde von der Arbeit dieser Tage.

Jetzt sind sie wieder zurückgekehrt zu Jesus. Und sie erzählen ihm alles, was sie erlebt haben. Ich stelle mir vor, dass sie davon berichten, wie manche die Botschaft von Jesus freudig angenommen haben, wie sie offen waren für Gottes Wort. Andere haben die Jünger vielleicht verlacht oder aus dem Dorf gejagt. Sie erzählten von Kranken, die sie heilen konnten, aber vielleicht auch von Menschen, die sie verspottet hatten. Sie waren bestimmt aufgeregt, erfüllt, und auch ein wenig stolz auf das, was sie für Gottes Reich getan hatten.

Jesus zeigt sich bei dieser Gelegenheit als der, der er ist: unser guter Hirte. Er peitscht seine Leute jetzt nicht weiter; er pusht sie nicht erbarmungslos hoch und fordert nicht: weiter, weiter, mehr, mehr! Er beutet sie nicht aus und macht sie nicht fertig. Jesus sieht: Jetzt brauchen sie eine Pause. Und so schickt er sie mit dem Boot an eine einsame Stätte. „Ruht euch ein bisschen aus!“ gibt er ihnen mit auf den Weg.

Der gute Hirte geht sehr barmherzig mit seinen Menschen um. Ich glaube, den Stress, den machen wir uns selber. Viele der so genannten Zivilisationskrankheiten gehen auf den Stress zurück. Weil wir die schöpferischen Pausen nicht mehr einhalten.

Heute ist Sonntag. Zum Glück gibt es ihn noch, diesen besonderen Tag. Viele müssen auch am Sonntag arbeiten. Aber für viele andere bietet dieser Tag die einmalige Gelegenheit, eine schöpferische Pause einzulegen. „Ruhet ein wenig!“

Denken Sie daran: die Müdigkeit, gerade jetzt im Frühjahr, hat nichts mit Faulheit zu tun. Im Gegenteil: der Körper braucht diese Pause, weil er in seinem Innern eine unglaubliche Arbeit zu leisten hat, nämlich die Körperzellen zu erneuern. Und so haben die Pausen, die Sie einlegen, heute am Sonntag und zwischendurch am Tag, nichts mit Faulheit zu tun. Sie sind notwendig, damit der Mensch regenerieren kann, sich erneuern kann.

Auch Ihr innerer Mensch braucht diese schöpferischen Pausen. Das ist ein Grund, warum wir Gottesdienst feiern: schöpferische Pause für den inneren Menschen. Das setzt Kräfte in der Seele frei, die wir in den Zeiten danach unbedingt brauchen. So wie im Frühjahr der Winkel der Sonneneinstrahlung und die winzigen Zellen in unserem Körper zusammenspielen, so brauchen wir kleinen Menschen mit unserem kleinen Alltag das Bewusstsein, dass wir in Gottes großem Plan verankert sind. Das fällt uns so nicht in den Schoß; das müssen wir suchen, in der Pause, in der Stille, im Gebet – wo wir uns verbinden, in Kontakt treten mit dem guten Hirten, der so wie damals zu uns spricht: „Ruhet ein wenig!“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

© Pfarrer Henner Eurich, Heidelbach