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(Mein Beitrag in unserem neuen Gemeindebrief, der demnächst erscheint)

Sagen Sie mal: Sind Sie eigentlich schon bei Facebook? Das ist die riesige Internetfirma, die weltweit 2,1 Milliarden aktive Nutzer hat; in Deutschland sind es 31 Millionen. Dieses soziale Netzwerk verändert unser Leben, ob wir das wollen oder nicht. Es verändert sogar unser Denken. Davor kann man nicht die Augen verschließen, auch wenn man selbst nicht "drin" ist.

Jüngst hat sich sogar der Chef der Computerfirma Apple, Tim Cook, kritisch über Facebook und ähnliche Netzwerke geäußert: er würde seinem Neffen nicht erlauben, ein soziales Netzwerk zu nutzen. Und auch Chamath Palihapitiya, ab 2007 Manager bei Facebook, warnt: „Ich denke, wir haben Tools geschaffen, die die Struktur unserer Gesellschaft auseinanderreißen.“ Das sind starke Worte von Leuten, die es wissen müssen. (1)

Was ist denn so gefährlich an sozialen Netzwerken? Sie verändern unsere Weltsicht, und das in einem viel stärkeren Maße als bisher angenommen. Der riesige Einfluss von Facebook auf die Präsidentschaftswahl in den USA beispielsweise wird jetzt vom Facebook-Chef Marc Zuckerberg eingestanden.

Wie werden wir beeinflusst? Stellen Sie sich das so vor: Sie lesen auf Ihrem Computer (oder auf dem Handy) eine Seite von Facebook. Wenn Ihnen das gefällt, was Sie da gerade gelesen oder angesehen haben, können Sie unten einen kleinen "Daumen hoch" aktivieren - der Daumen bedeutet: "Das gefällt mir".

Nach und nach entsteht durch das, was Sie bei Facebook lesen und durch die vielen kleinen "Daumen hoch" in den Datenbanken von Facebook ein sehr genaues Bild von dem, was Sie interessiert und was nicht. Entsprechend "füttert" Facbook Sie künftig mit Informationen, die Ihren Vorlieben entsprechen; Sie bekommen künftig immer weniger Dinge angezeigt, die nicht Ihrer Meinung entsprechen, und immer mehr Dinge, die genau Ihre Sicht bestätigen.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, Ihnen gefällt alles, was Sie über Pferde bei Facebook lesen. Künftig bekommen Sie immer mehr Pferde-Seiten gezeigt, und es dauert nicht lange, da haben Sie auch die entsprechenden Werbeanzeigen von Reitbekleidung, Reiturlauben, Reitställen, Tierärzten, Naturprodukten und so weiter auf Ihrem Bildschirm. Sie bekommen nicht irgendeine Film- oder Kinowerbung gezeigt, sondern natürlich die von "Ostwind", dem Pferdefilm, und natürlich werden Ihnen auch die nächsten Auftritte vom "Pferdeflüsterer" präsentiert, wenn der mal wieder in den Vogelsberg kommt.

So können Firmen, die ihre Waren verkaufen wollen, und Nachrichtensender, die ihre Weltsicht verkaufen wollen, sehr gezielt bestimmte Nutzer auf Facebook erreichen. Damit verdient Facebook inzwischen sehr, sehr viel Geld - 2017 war es ein Gewinn von 16 Milliarden US-Dollar.

Wirklich problematisch wird es, wenn es um Weltanschauungen und um Politik geht. Wer Nachrichten und Kommentare einer bestimmten Richtung bevorzugt, wird künftig bald gar keine anderen Nachrichten mehr angezeigt bekommen. Und so werden die Rechten immer extremer, genau so wie die Linken. Man lebt in seiner "Filterblase", in der man ständig nur selbst bestätigt wird mit seiner Meinung. Andere Ansichten hält man für "Fake News", für "gefälschte Nachrichten", und man bekommt eine "gefilterte" Weltsicht präsentiert.

Aus eigener Erfahrung weiß ich inzwischen, dass auch der Umgangston im "sozialen" Netzwerk sehr rau geworden ist. Mancher Kommentar, der bei Facebook von den 2,1 Mrd. Nutzern hinterlassen wird, erfüllt den Tatbestand der Beleidigung, des Aufrufs zu einer Straftat oder der Volksverhetzung. Das hängt auch damit zusammen, dass Menschen in den unterschiedlichen "Blasen" oft nicht mehr miteinander diskutieren können, sondern nur noch beleidigen. Verständnis gibt es nur innerhalb der eigenen "Blase", ansonsten findet sich viel Hass auf Andersdenkende und auf Fremde.

Facebook hat die Macht, sehr stark zu polarisieren. Einfache, radikale Thesen breiten sich wie ein Lauffeuer aus, und Verschwörungstheorien blühen in nie dagewesener Weise. Das bleibt nicht nur auf den Bildschirmen so, sondern das setzt sich in den Köpfen fort, und da ist in der Tat das Potential, eine Gesellschaft zu spalten.

Eigentlich ist Facebook mal angetreten damit, die Menschen zusammenzuführen - ein "soziales" Netzwerk eben. Man findet "Freunde", die sich dort auch herumtreiben; man kann Fotos und Texte miteinander teilen und bekommt so mit, was die Freunde so unternehmen, wie es ihnen geht und was sie gerade erleben. Eine kurze Nachricht verschicken, egal in welches Land der Erde, mit Leuten in Kontakt bleiben, auch wenn sie weit weg wohnen, Gleichgesinnte finden oder auf interessante Veranstaltungen aufmerksam werden - das ist alles sehr schön und spannend, und darum bin ich auch bei Facebook, wie seit Neuestem auch unsere Kirchengemeinden.

Die Probleme muss man allerdings auch sehen, und der Umgang mit diesem Medium erfordert meiner Meinung nach viel Umsicht und Reife - man muss wissen, was man tut und welche Informationen man auch von sich preisgibt. Ich bin es darum auch meinen Kindern schuldig, mich auszukennen in dieser digitalen Welt, damit ich ihnen helfen kann, vernünftig damit umzugehen.

Im Übrigen denke ich, dass die "Filterblasen", in denen sich die Menschen bewegen, im Grunde auch nichts Neues sind - das gab es schon immer; bloß dass heute 2,1 Mrd. Menschen auf diese Weise "gelenkt" werden. Paulus hat schon in biblischer Zeit seinem Freund Timotheus ins Stammbuch geschrieben:

Es kommt eine Zeit, da werden die Menschen der gesunden Lehre des Evangeliums kein Gehör mehr schenken. Stattdessen werden sie sich Lehrer aussuchen, die ihren eigenen Vorstellungen entsprechen und die ihnen das sagen, was sie hören möchten. Sie werden die Ohren vor der Wahrheit verschließen und sich Legenden und Spekulationen zuwenden. Du aber sollst besonnen bleiben, was auch immer geschieht! Sei bereit zu leiden; erfülle unbeirrt deinen Auftrag als Verkündiger des Evangeliums; übe deinen Dienst mit ganzer Treue aus. (2. Timotheus 4,3ff - Neue Genfer Übersetzung)

Deswegen schaue ich gerne immer wieder in die Bibel: weil sie mich nicht nur bestätigt, mich nicht nur in meiner frommen "Blase" einwickelt, sondern weil sie mich hinterfragt, kritisiert, auch ermutigt und bestärkt, mich tröstet, mich ärgert und aufregt, mich auch erfreut und besänftigt - ein lebendiges Buch. Freilich wurde auch die Bibel benutzt, um die Menschen zu spalten, um zu polarisieren; man kann auch aus der Bibel die Dinge herausfiltern, die einem nicht passen, und nur noch das lesen, was einem gefällt.

Aber - Gott sei Dank! - bleiben diese 1.200 Seiten immer so widerständig, dass sie die "Blasen" zum Platzen bringen und uns eine neue geistliche Orientierung schenken. Dabei schafft es die Bibel auch im digitalen Zeitalter, die Menschen zu bewegen - mit Zahlen, die selbst Facebook in den Schatten stellen: "Etwa 5,16 Milliarden Menschen haben ... Zugang zu allen Texten des Alten und Neuen Testaments in ihrer Muttersprache." (2)

Da können wir ja noch hoffen!

Herzlichst, Ihr

Henner Eurich (Pfarrer)

P.S.: Wenn Sie unsere Gemeinden auf Facebook besuchen möchten, klicken Sie rein auf https://www.facebook.com/kircheimnetz/.

Quellenangaben:

http://meedia.de/2018/01/21/apple-chef-tim-cook-mein-neffe-soll-nicht-auf-einem-social-network-aktiv-sein/ (abgerufen am 13.02.2018)

https://www.die-bibel.de/spenden/weltbibelhilfe/zahlen-und-fakten/ (abgerufen am 13.02.2018)